Der beste Empfehlungsbrief


Auf das Ausschreiben eines Kaufmanns, durch welches ein Laufbursche gesucht wurde, meldeten sich fünfzig Knaben. Der Kaufmann wählte sehr rasch einen unter denselben und verabschiedete die andern. „Ich möchte wohl wissen,“ sagte ein Freund, „warum du gerade diesen Knaben, der doch keinen einzigen Empfehlungsbrief hatte, bevorzugtest?“

„Du irrst,“ lautete die Antwort, „dieser Knabe hatte viele Empfehlungen. Er putzte seine Füße ab, ehe er ins Zimmer trat, und machte die Türe zu; er ist daher sorgfältig. Er gab ohne Besinnen seinen Stuhl jenem alten, lahmen Manne, was seine Herzensgüte und Aufmerksamkeit zeigt. Er nahm seine Mütze ab, ehe er hereinkam, und antwortete auf meine Fragen schnell und sicher; er ist also höflich und hat gute Sitten. Er hob das Buch auf, welches ich absichtlich auf den Boden gelegt hatte, während alle übrigen dasselbe zur Seite stießen oder darüber stolperten. Er wartete ruhig und drängte sich nicht heran — ein gutes Zeugnis für sein anständiges Benehmen. Ich bemerkte ferner, daß sein Rock gut ausgebürstet und seine Hände und sein Gesicht rein waren. Nennst du dies alles keinen Empfehlungsbrief? Ich gebe mehr darauf, was ich von einem Menschen weiß, nachdem ich ihn zehn Minuten lang gesehen, als auf das, was in schön klingenden Empfehlungsbriefen geschrieben steht.“

Bild: Andrys Stienstra auf Pixabay

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